Banner auf dem steht "Freistaat statt Polizeistaat"

Freistaat statt Polizeistaat!


In Sachsen stehen neue Polizeigesetze vor der Verabschiedung. Die Gesetze sehen neue Waffen vor, hebeln das Berufsgeheimnis aus und setzen auf mehr Video- und Kommunikationsüberwachung. Die krasseste Veränderung ist aber der Gefährder-Ansatz. Das bedeutet, dass Menschen nach weitgehend reinem Gutdünken als „Gefährder“ klassifiziert und dann umfangreichen Maßnahmen ausgesetzt sein können. Der Willkür von Menschen oder in naher Zukunft auch Algorithmen sind dann kaum noch Grenzen gesetzt.

Termine

  • 10. – 18.11.2018 Aktionswoche Bündnis »Polizeigesetz stoppen«
  • 26.01.2019: Zweite zentrale Dmeonstration gegen das Polizeigesetz in Dresden
  • vermutlich März: 2019: Abstimmung über das Gesetz im Landtag

Aufruf des Bündnisses unterstützen

Das Bündnis »Polizeigesetz stoppen!« hat einen Aufruf »Gegen die autoritäre Politik der Staatsregierung, Nein zum neuen Polizeirecht für Sachsen!« veröffentlicht und ruft zu einer landesweiten Aktionswoche vom 10. bis 18. November 2018 auf. Alle, die das Anliegen teilen, sind herzlich eingeladen den Aufruf zu unterstützen.

Petition auf WeAct unterschreiben

Jede Stimme zählt. Unterschreibt die Petition gegen das Polizeigesetz und sendet den Link zur Petition auch an Freund*innen und Bekannte via E‑Mail, Facebook, Twitter, Whatsapp, usw.!

Petition unterzeichnen

Das will DIE LINKE

Für eine demokratische Kontrolle der Polizei!

Bisher bedient sich der Staat vieler Möglichkeiten, uns als Bevölkerung zu überwachen. Dabei sollten aber gerade umgekehrt wir Menschen die Möglichkeit haben, die Polizei, die besondere Rechte sowie Waffen besitzt, zu kontrollieren.

Konkret fordern wir auf Landesebene:

  • eine sinnvoll gestaltete Kennzeichnungspflicht für alle Polizist*innen;
  • eine von der Polizei unabhängige Beschwerdestelle, sollte es seitens der Polizei zu Fehlverhalten kommen;
  • bessere Grund- und Menschenrechtsschulungen in der Polizei.

Vortrag: Die neuen Polizeigesetze

Vorschaubild des YouTube-Videos https://www.youtube.com/watch?reload=9&v=sbYItgUn_74

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Was steht drin, in den neuen Polizeigesetzen?

»Das« neue Polizeigesetz sind eigentlich zwei: Das Polizeivollzugsdienstgesetz, dass die Aufgaben und Möglichkeiten der Polizei regelt und das Polizeibehördengesetz, dass Regelungen über die Ordnungsämter trifft – die in Zukunft aber als »Polizeibehörde« auftreten, statt als Ordnungsamt. Wir haben hier für euch eine Übersicht, was sich durch das neue Polizeigesetz ändert:

Fußfesseln, Kontakt- und Aufenthaltsverbote

Ohne ein Verbrechen – also nur auf Verdacht, es könnte zukünftig ein Verbrechen begangen werden – kann die Polizei auf Antrag bei einem Gericht einer Person verbieten, ihren Wohnort zu verlassen oder Kontakt zu bestimmten Personen aufzunehmen. Ohne richterlichen Beschluss kann die Polizei außerdem einer Person verbieten, bestimmte Gebiete und Orte zu betreten.

Beispiel: Holger war vor drei Jahren bei einem Spiel der Regionalliga. Dort war er mit Lisa, Mirko und Paule, die es früher manchmal etwas übertrieben haben. Paule hatte vor sechs Jahren sogar ein Verfahren am laufen. Das bereut er, aber die Polizei hat den Vorfall gespeichert. Auf dem Weg zum Stadion wurden die vier damals von der Polizei kontrolliert. Holger hat sich nichts weiter dabei gedacht. Auf einmal wird angeordnet, dass er die Spiele der Regionalliga nicht mehr besuchen darf und während der Europa- und Weltmeisterschaften eine Fußfessel tragen muss. Das Stadion muss er im Umkreis von 5 km meiden. Da das Stadion nahe der Innenstadt ist, darf er also auch diese nicht mehr besuchen. Das konnte die Polizei anordnen, ohne ein Gericht zu fragen.

Vereinfachte Wohnungsdurchsuchungen durch Polizei

Die Schwellen für die Durchsuchung von Wohnungen und Geschäftsräumen werden herabgesetzt. So können Räumlichkeiten, die bei einer Ruhestörung vorher maximal betreten werden durften, nun auch durchsucht werden. Auch eine Gefahr für „bedeutende Sach- und Vermögenswerte“ rechtfertigt zukünftig Durchsuchungen.

Beispiel: In der Disco oder im Club hat das Tanzfieber gerade erst so richtig um sich gegriffen, aber es gibt eine Beschwerde wegen Ruhestörung. Bis jetzt kommt da eventuell mal die Polizei vorbei und bittet um eine Lärmreduzierung. Manchmal reicht da schon ein Vorhang oder das Schließen der Tür. Jetzt kann die Polizei in einem solchen Fall nach Gutdünken auch gleich mal den ganzen Club durchsuchen.

Telekommunikations-
überwachung – A little more Observation please!

Bisher konnten Inhalte aus Telekommunikation mitgelesen, mitgehört und mitgeschnitten werden, wenn es ein Ermittlungsverfahren gab. Schon das hat in einigen Fällen zu Überwachungsskandalen geführt, von denen auch Journalist*innen und Anwält*innen betroffen waren. In Zukunft wird das viel einfacher: Es muss kein Ermittlungsverfahren (Strafverfahren) geben, sondern die Abwehr einer behaupteten „Gefahr“ aus Sicht der Polizei reicht aus. Auch hier können jetzt bspw. Gesprächsinhalte abgehört, SMS mitgelesen und Messenger-Nachrichten protokolliert werden. Vorher ging dies nur bei so genannten „Metadaten“: Also wer mit wem wie lange sprach. Zusätzlich dürfen Passwörter, PIN, PUK und andere Sicherungsdaten abgegriffen werden. Außerdem ist es möglich, den Inhalt von Cloud-Diensten abzuschöpfen. Da die Speicherung von Dokumenten, Fotos und anderen Daten in einer Cloud immer verbreiteter wird, hat die Polizei Zugriff auf wesentliche Geräteinhalte.

Beispiel: Paula war vor zehn Jahren auf einer Reise im Iran. Fünf Jahre später hat sie Urlaub in Tunesien gemacht. Ihr Freund, Arian, ist Kurde. Der wiederum ist auch mit Daja, einer Syrerin, befreundet, die sich auch politisch engagiert. Verdächtig? Nicht wirklich, aber der Algorithmus der Polizei spuckt da etwas anderes aus und meint: Das Verhalten begründe „die konkrete Wahrscheinlichkeit, dass sie in überschaubarer Zukunft eine terroristische Straftat begehen wird“. Ab da läuft die Überwachung. Auf Grund welcher der Umstände der Algorithmus zu seinem Ergebnis kommt, weiß auch in der Polizei niemand genau. Wird schon stimmen, denkt man sich.

Störsender

Eine neue Befugnis der Polizei ist, dass Kommunikation unterbrochen bzw. verhindert werden darf. Ausreichend dafür ist, dass die Polizei z. B. gewalttätige Ausschreitungen befürchtet – ob diese „Befürchtung“ realistisch ist, ist dabei egal.

Beispiel: Im Hambacher Forst im Herbst 2018 ließ die Polizei und das Innenministerium verlautbaren, man befürchte Szenen wie bei G20 in Hamburg. Passiert ist am Ende zwar nichts, aber die „Befürchtung“ war gegeben. Hätte die Polizei nun auf dieser Grundlage die Telekommunikation in diesem Gebiet unterbunden, hätten auch Unfallopfer und Verletzte keine Hilfe mehr holen können – Störsendern sei Dank.

Berufsgeheimnis und Zeugnisverweigerungsrecht

Bisher waren Rechtsanwält*innen, Ärzt*innen, Journalist*innen und Psycholog*innen gleichermaßen geschützte Geheimnisträger*innen: Sie konnten vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen und mussten nur auf richterliche Anordnung in einem Strafverfahren ihre Schweigepflicht brechen. Das soll nun anders werden. Ärzt*innen, Psycholog*innen und Journalist*innen können dann nur wegen des Verdachts auf eine Gefahr und ohne Strafverfahren gezwungen werden, über ihre Patient*innen oder Informant*innen Auskunft zu geben.

Beispiel: Ulrike ist Psychotherapeutin und behandelt Susanne wegen einer Depression. Susanne ist schon lange politisch aktiv, hat sich aber nie etwas zu Schulden kommen lassen. Auf zwei Demonstrationen, die sie besucht hat, musste sie aber mal ihre Personalien bei der Polizei vorzeigen. Seit dem ist sie ohne ihr Wissen bei der Polizei in einer Kartei registriert und wird der „Gruppe links“ zugerechnet. Da Susanne nebenbei Bloggerin ist und offen mit ihrer Krankheit umgeht, bekommt auch die Polizei mit, dass Susanne in psychotherapeutischer Behandlung ist. Im Vorfeld einer geplanten Friedensdemonstration sieht die Polizei eine „Gefahrenlage“ und holt daher bei Susannes Psychotherapeutin Ulrike Informationen über Susannes Gesundheitszustand ein. Ulrike kann sich, weil die Polizei sich auf eine „Gefahr“ beruft, die Aussage nicht verweigern und muss der Polizei Auskunft geben. Die Antikriegs-Demo verläuft völlig friedlich und ohne Zwischenfälle – aber Susannes Eintrag bei der Polizei umfasst jetzt auch ihren Gesundheitszustand.

Videoüberwachung und Gesichtserkennung

Im „Grenzgebiet“ zu Tschechien und Polen kann künftig Videoüberwachung und Gesichtserkennung auf faktisch allen Straßenabschnitten eingesetzt werden, die nicht weiter als 30 km Luftlinie von der Grenze entfernt sind. Das umfasst bspw. die Städte Bautzen, Görlitz, Löbau, Niesky, Weißwasser, Zittau, Pirna, Freiberg, Aue, Plauen und Teile von Dresden! Damit werden alle Straßen im Landkreis Görlitz, im Erzgebirge, in der Sächsischen Schweiz–Osterzgebirge sowie in großen Teilen Bautzens, Mittelsachsens und des Vogtlands zu potentiellen Überwachungsgebieten. Außerdem kann Videoüberwachung im öffentlichen Raum künftig nicht nur durch die Polizei, sondern auch durch die Ordnungsämter angeordnet werden.

Die Karte stellt in etwa das 30 km Grenzgebiet dar, also den Bereich, in dem mit den neuen Polizeigesetzen Videoüberwachung mit Gesichtserkennung auf Straßen in Sachsen möglich wird.
Umrisse Sachsen-Karte: Designed by Freepik, Umsetzung: DIE LINKE. Sachsen

Beispiel: Hans ist Handwerker aus Bautzen und hat Aufträge aus dem ganzen Landkreis Bautzen sowie dem Landkreis Görlitz. Jeden Tag werden sein Auto und er von den Überwachungsstellen aufgezeichnet. Da Hans ein freundliches „Allerweltsgesicht“ hat, löst die Gesichtserkennung jeden zweiten Monat einen Fehlalarm aus und die Polizei steht vor der Tür. Obwohl sich jedes mal herausstellt, dass er nicht der Gesuchte ist, fangen die Nachbarn schon an, die Nase zu rümpfen, warum wohl die Polizei so oft bei ihm ist…

Alkoholverbotszonen

Pauschale „Alkoholverbotszonen“ im öffentlichen Raum konnten bisher nur eingeführt werden, wenn es tatsächlich zu alkoholbedingten Straftaten gekommen ist. Zukünftig reichen Ordnungswidrigkeiten aus.

Beispiel: Gegenüber vom Späti stehen an warmen Sommerabenden manchmal einige Leute draußen und trinken ein Radler zusammen. Dabei wird natürlich auch gequatscht. Leider fühlt sich ein bestimmter Anwohner sehr schnell davon genervt und zeigt beim Ordnungsamt mehrfach Ruhestörungen an. Das Ordnungsamt stellt fest, dass es zwei mal zu laut war. In Folge dessen erlässt es ein pauschales Alkoholverbot am Späti und allen angrenzenden Häuserblocks. Da es auch in der Nähe vom Park Beschwerden gab, wird auch hier eine Alkoholverbotszone erlassen.

Ordnungsamt als Polizeibehörde

Die Ordnungsämter werden zu Polizeibehörden und erhalten neue Kompetenzen. Sie dürfen dann: Wohnungen betreten und durchsuchen sowie Videoüberwachung durchführen. Außerdem können die Mitarbeiter*innen neue technische Ausstattung bekommen, z. B. Schlagstöcke, Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reizstoffe und zum Sprengen von Sachen bestimmte explosive Stoffe (Sprengmittel). Geregelt wird das dann nicht mehr per Gesetz, sondern via Verordnung. Das Innenministerium kann nach Gutdünken zudem „weitere Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“ zulassen.

Beispiel: Du bist umgezogen und veranstaltest eine Einzugsfeier. Natürlich wurden Nachbar*innen mit einem netten Aushang darüber informiert, dass sie alle herzlich eingeladen sind, es an diesem Abend aber auch mal lauter werden könnte. Leider passt das einem Nachbarn so gar nicht, so dass dieser die Polizeibehörde (Ordnungsamt) informiert. Die klingelt jetzt bei euch und stellt fest, dass jemand Shisha raucht. Der etwas ältere Ordnungsamtsbedienstete vermutet dahinter jedoch illegalen Drogenkonsum und beschließt daher, gleich mal die ganze Wohnung zu durchsuchen. Das geht, da Ruhestörung zwar keine Gefahr für das Leben, aber für „den Leib“ ist.